Weser-Kurier 22.06.2005

Ein-Euro-Jobs: Zwangsarbeit

OSTERTOR. Auf internationalen Treffen wie dem G-8-Gipfel in Genua oder dem Weltwirtschaftsforum in Davos sind sie schon länger zu Tausenden vertreten: die Globalisierungsgegner und parteilosen Oppositionellen, zu denen beispielsweise Attac zählt. Nun treffen sie sich in Deutschland auch auf lokaler Ebene, um über Alternativen des Neoliberalismus zu diskutieren und die Graswurzelrevolution wiederzubeleben. Zum ersten Bremer Sozialforum kamen am Wochenende rund 500 Interessierte ins Kulturzentrum Lagerhaus zu Workshops, Diskussionen und kulturellen Veranstaltungen. 66 Bremer Organisationen aus Gewerkschaftskreisen, Umwelt- und Friedensinitiativen, Kirchen und anderen Bereichen unterstützten das Forum.Die über 35 Workshops deckten Themenkreise wie Arbeitslosigkeit, Hartz IV, neue Technologien, Bildung, Ökonomie oder andere Lebensformen ab. "Viele jüngere Leute haben an den Workshops teilgenommen", freute sich Marianne Kahl vom Organisationsteam. Auf einer zentralen Podiumsdiskussion waren dagegen viele Ältere vertreten, darunter viele bekannte Gesichter aus der linken Szene Bremens. Eingeladen war Professor Peter Grottian von der Freien Universität Berlin."Es ist ein politisches Disziplinierungsprojekt", wetterte der Politologe gegen Hartz IV. Kein Politiker verteidige mehr die Reformen. "Es zeigt, dass die herrschende Politik ziemlich am Ende ihrer Legitimation ist." Grottian kritisierte die Ein-Euro-Jobs, die er als Zwangsarbeit bezeichnete. Als Alternative gegen die Arbeitslosigkeit empfahl er selbst bestimmte Arbeit. Etwa in den Stadtteilen, wo Erwerbslose ihr Arbeitsfeld in gesellschaftlich notwendigen Bereichen eigenständig suchen sollten. Dies solle gesellschaftlich finanziert werden. "Wir müssen sehen, dass die Menschen mit ihrer Qualifikation und Motivation nicht verrotten", plädierte Peter Grottian für kurzfristige Maßnahmen. Er forderte ein Grundeinkommen für alle, war sich aber bewusst, dass diese Forderung bereits 22 Jahre alt ist. Von den Parteien versprach sich der Politikprofessor nichts, ebenso wenig vom neuen Linksbündnis. "WASG und PDS haben auch nicht so viel anzubieten."Dirk Jenke von Attac Bremen begrüßte die freundschaftliche Atmosphäre des Sozialforums. "Wir leben in einer Ära des gesellschaftlichen Verfalls", führte er aus. "Die Verhältnisse treiben uns in die Vereinzelung." Es gebe immer mehr Singlehaushalte, doch die Leute seien nicht glücklich damit. Man müsse über neue Formen des Zusammenlebens und über die eigene Situation nachdenken.